Intersektionaler Feminismus – Kollektiv Bipoc.WoC

Rede des Kollektivs Bipoc.WoC an der Black Lives Matter Demonstration in Zürich am 13. Juni 2020.

Lasst uns erzählen wieso wir heute auf der Strasse sind:

Am 25. Mai wurde George Floyd in Minneapolis von einem Polizisten ermordet. Seitdem gibt es Proteste auf der ganzen Welt gegen Rassismus und polizeiliche Gewalt. Der Rassismus in Form von polizeilicher Gewalt manifestiert sich auch in der Schweiz. Mike Ben Peter. Lamine Fatty. Hervé Mandundu. Auch sie sind durch die Polizei ermordet worden. Sagt auch ihre Namen. (Pause)

Bis heute wurden die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen, weil die Debatte zu Rassismus in der Schweiz verleugnet, ignoriert und zensiert wird.

Wieso ist es so schwierig die Diskussion über Rassismus in der Schweiz zu führen?

White Guilt – das Phänomen, wenn Weisse sich so schuldig fühlen, dass sie ihre Schuld gar nicht mehr anerkennen können.

White Fragility – das Phänomen, wenn sich Weisse persönlich angegriffen fühlen, wenn ihnen Rassismus vorgeworfen wird.

Wenn die Rolle der Schweiz im Kolonialismus und im Sklavenhandel nicht vollständig wahrgenommen wird, wie wollen wir dann ein Gespräch über alltäglichen Rassismus führen?

Die Antwort liegt auf der Hand.

Die Schweiz versteckt sich unter dem Deckmantel von Neutralität und als „Nicht-Kolonialmacht.“ Dass die kapitalistische Schweiz aber wirtschaftlich und politisch vom Kolonialismus und Sklavenhandel profitiert hat, wird aus dem Kollektivwissen gestrichen. Damit werden unsere Realitäten zensiert und BIPoC’s mundtot gemacht. Wir werden nicht mehr länger schweigen.

Wenn ihr uns fragt, woher wir kommen.
Wenn ihr uns in die Haare fasst.
Wenn ihr darüber staunt, dass wir Schweizer-Deutsch sprechen können.
Wenn ihr sagt, ihr seht keine Hautfarbe.
Wenn ihr sagt, ihr könnt nicht rassistisch sein, weil ihr BIPoC’s als Freund*innen habt.
Wenn ihr sagt, das Thema Rassismus betrifft euch nicht.
Wenn ihr euch über political correctness aufregt.
Wenn ihr uns sagt, dass wir noch schön sind für BIPoC’s.
Wenn ihr uns in der Feminismus-Diskussion ausschliesst.

Wenn ihr euch als Verbündete sieht müsst ihr in solchen Situationen auch anti-rassistisch handeln und sie zur Rechenschaft ziehen und die rassistischen Aussagen als solche denunzieren.

Wir fordern einen intersektionalen Feminismus.
Wenn ihr Black Lives Matter sagt, meint auch Black Trans Lives Matter, Black Women’s Lives Matter, Black Refugee’s Lives Matter, Black Queer Lives Matter.

Wir fordern inklusive Repräsentation in den Medien, in Arbeitsstellen und in gesellschaftspolitischen Debatten wie in der Klima Debatte, in der Bildungspolitik, im Queerfeminismus, im Gesundheitswesen und in der Asylpolitik. In der öffentlichen Meinungsbildung wollen wir eine Stimme.

Wie Tupoka Ogette sagt:

Ein Privileg, welches Rassismus Euch – liebe weiße Verbündete mitgegeben hat ist, die Wahl sich mit Rassismus auseinander zu setzen. Die Wahl, nach der Zeit des offiziellen Engagements, des Gesicht zeigens, den Demos, den hashtags, den reposts eine Pause einzulegen. Sich auszuruhen. Ihr habt die Wahl, morgen früh aufzustehen und nicht über Rassismus nachdenken zu müssen. Sich nicht bereit machen zu müssen für die nächste Mikro-, oder Makroaggression.

Ja, Ihr habt die Wahl. Aber: Ihr habt ebenso eine Verantwortung. Eine Verantwortung deshalb, weil Rassismus eine weiße Erfindung ist. Nicht von Euch persönlich. Aber ebenso wie wir in eine Welt geboren wurden, die uns zu Betroffenen von Rassismus gemacht hat, seid Ihr in eine Welt geboren, in der Ihr von Rassismus als Struktur profitiert.

Und in der die Verantwortung mit in Euren Händen liegt. Die Verantwortung Rassismus mit zu dekonstruieren an allen Stellen in dieser Gesellschaft – inklusive dem Verinnerlichten. Aus rassismuskritisch denken lernen muss rassismuskritisch leben werden.

An diese Verantwortung appelliere ich. Trefft diese Entscheidung heute, morgen, übermorgen und die Woche, den Monat und das Jahr danach. Lasst nicht zu, dass ihr in ein kollektives Schweigen und Vergessen fallt. Bleibt wach. Bleibt laut. Bleibt in Bewegung. Denn vergesst nicht: Eure Schwarzen und BIPoC Mitmenschen haben nicht die Wahl. Egal wie müde, ausgelaugt und erschöpft wir sein mögen.

Nehmt uns ernst, nehmt uns wahr.
Black Lives Matter hier und überall!