Moral panic bezeichnet im Englischen seit den 1970er-Jahre ein bestimmtes Phänomen: Eine Gruppe von Menschen wird wegen einer Verhaltensweise als Gefahr für die öffentliche Ordnung gekennzeichnet. Das machen nicht nur einzelne, sondern die breite Öffentlichkeit: Medien, die auf Sensationen und Clickbait setzen, tragen dazu ebenso bei, wie privat organisierte Initiativen. Das markierte Verhalten wird als etwas grundsätzlich Neues dargestellt, das von aussen kommt und für die Gesellschaft als Ganzes bedrohlich ist. Es soll um jeden Preis unterbunden werden. In der Folge entsteht eine Dynamik der Dämonisierung. Verurteilt wird auch, wer bei der moralischen Panik nicht mitmacht. Diese ist nicht blosse Massenhysterie, sondern dient einem Ziel: Die soziale Kontrolle über bestimmte Menschengruppen zu erhöhen. Dies gelingt insbesondere dann, wenn die moralische Panik in staatlichen Massnahmen wie Änderungen von Polizeiverordnungen, Gesetzen oder öffentlichen Institutionen mündet.
Typische Instrumente der moralischen Panik an Schweizer Beispielen.
Der Soziologe Stuart Hall beschreibt, dass moralische Panik in Phasen verläuft und zu autoritären Strukturen in einer Gesellschaft führt. In der ersten Phase sind es einzelne Themen, die mit einer moralischen Panik «beantwortet» werden. In der zweiten Phase nehmen die Wellen moralischer Panik zu und überschneiden sich zeitlich. Die Themen werden austauschbarer. Es wird eine Wahrnehmung eines allgemeinen Wertezerfalls produziert. In der dritten Phase ist das Muster der moralischen Panik so eingeübt, dass es auch von staatlicher Seite ausgelöst werden kann. So können Verschärfungen im Sinne einer «Law-and-Order»- Politik gerechtfertigt werden.
Moralische Panik kann als eine (fehlgeleitete) Reaktion auf reale gesellschaftliche Veränderungen oder Krisen verstanden werden. Sie ist attraktiv, weil sie immer einen «äusseren Feind» für Krisen verantwortlich macht.
M wie Moralische Panik bezeichnet ein medial-gesellschaftliches Phänomen, bei dem die Stigmatisierung einer bestimmten Verhaltensweise als Ventil für den Druck realer sozialer Krisen benutzt wird. Bestimmte Verhaltensweisen werden zur zersetzenden Gefahr für die Gesellschaft hochstilisiert, emotionalisiert und skandalisiert. Etwas radikal Neues und Schädliches wird behauptet, das mit staatlichen Massnahmen zu bekämpfen sei. Wer nicht mitmacht, wird Teil des Feindbildes. Resultat ist in der Regel die verstärkte Überwachung einer meist →marginalisierten Bevölkerungsgruppe.
Beispiel sind Debatten rund um Kopftücher und Minarette, aber auch um «Genderismus», «Wokeism» sowie phasenweise um «kulturelle Aneignung» und «Cancel Culture».