Die Geschichte ist im Effekt meistens eine Geschichte der Sieger:innen von gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Die Sieger:innen gestalten, was und wie erzählt wird, welche Erzählungen gehört und als wesentlich erachtet werden, welche Persönlichkeiten, Ereignisse und Prozesse als bemerkenswert dokumentiert werden, und was für zukünftige Generationen aufbewahrt wird.
Die Erzählung der Geschichte, von der man selber Teil ist, zu kontrollieren, ist eine Technik des Machterhalts. Sie wird eingesetzt, um die Stellung der Vorherrschaft zu erhalten und weiterzugeben. Auch staatliche Archive und Sammlungen sind weitgehend ein Abbild solcher Dynamiken (wobei die vorherrschenden Ideologien sich über die Zeit hinweg durchaus wandeln können).
Das bedeutet umgekehrt, dass die Produktion der Geschichte einhergeht mit der Produktion von unzähligen bedeutsamen Lücken und Leerstellen: Geschichten, die nicht rezipiert werden, Geschichten, die nicht erinnert werden; oder noch radikaler, Leben, die so prekär sind, dass sie kaum einen Abdruck hinterlassen. Dadurch werden potenzielle Bezugspunkte ausgelöscht, auf die sich in der Gegenwart niemand mehr berufen kann (vgl. →Amnesie).
Eine Möglichkeit, mit solchen Lücken und Leerstellen kritisch umzugehen, besteht darin, sie sichtbar zu machen. Statt eine wiederum in sich geschlossene Gegenerzählung zu versuchen, die Gefahr läuft, ihrerseits selbst marginalisierte Stimmen zum Schweigen zu bringen, werden Lücken und Brüche Teil der Darstellung. Sie werden Teil des narrativen Repertoires (vgl. →Zuhören) und im besten Fall zu einem Raum, in dem die Leben und Positionen der Undokumentierten und Unterdrückten vorstellbar werden. Ein solches fragmentarisches Erzählen setzt dementsprechend auf Denkanstösse anstatt auf abschliessende Erklärungen. Geschichte wird dabei als partielle, positionierte und vorläufige Erzählung sichtbar. Die Autorität, zu bestimmen, was die Geschichte ist, wird mit den →Adressat:innen geteilt.
L wie Lücke/Leerstelle. Geschichte ist nie objektiv oder neutral. Meistens bestimmen die Sieger*innen sozialer Auseinandersetzungen, welche Geschichte erzählt wird. Auch Archive und Sammlungen sind ein Abbild solcher Dynamiken. Es entsteht eine Vielzahl von bedeutsamen Lücken und Leerstellen: Geschichten, die nicht rezipiert werden, solche, die gar nicht erinnert werden oder, noch radikaler, Leben, die so prekär sind, dass sie kaum einen Abdruck hinterlassen.
Eine Möglichkeit, mit Lücken und Leerstellen kritisch umzugehen, besteht darin, sie sichtbar zu machen. Statt eine wiederum in sich geschlossene Gegenerzählung anzubieten, werden Lücken und Brüche Teil der Darstellung. Im besten Fall als Raum, in dem die Leben und Positionen der Undokumentierten und Unterdrückten vorstellbar werden.