Erinnerungskultur ist ein neuerer Begriff, der gemäss Christoph Cornelissen «alle denkbaren Formen der bewussten Erinnerung an historische Ereignisse, Persönlichkeiten und Prozesse» umfasst. Diese Formen können politisch, sozial, ästhetisch oder kognitiver Art sein. Erinnerungskulturen können öffentlich in politischen, parteilichen, aber auch geschichtswissenschaftlichen Erzählungen geprägt werden, aber sich auch in privaten Erinnerungen widerspiegeln, sofern diese öffentlich eingebracht werden. Auch hier scheint es sinnvoll, Erinnerungskultur im Plural oder mehrstimmig zu denken. Denn es gibt ganz unterschiedliche Akteur:innen, die Erinnerungskultur tragen und prägen: Individuen, soziale Gruppen, Institutionen oder Nationen beispielsweise. Es gibt lokale Erinnerungen, nationale aber eben auch inter- und transnationale (z. B. bezüglich des Holocausts). Diese können in Übereinstimmung zueinander stehen, aber auch in einem konfliktreichen Gegeneinander.
Auch in der →post_kolonialen Schweiz ist Erinnerungskultur vielfältig und umkämpft, und lässt sich auf unterschiedliche historische Erfahrungen innerhalb der Gesellschaft aufgrund von Geschlecht, Rassifizierung etc. aber auch aufgrund politischer Haltung zurückführen. Dabei geht es um die Frage, wer insbesondere in mächtigen, staatlichen oder öffentlichen Diskursen erinnert oder vergessen wird .(vgl. →Lücken / →Amnesie). Wer hat welche Ressourcen, um sich in diese Aushandlungen einzubringen? Diese Kämpfe entfalten sich entlang von ellschaftlichen Machtverhältnissen. Es geht darum, wer, welche Verantwortung für historische Verbrechen trägt, und ob diese anhalten oder vergangen sind und wie mögliche →Reparationen aussehen könnten. Dabei geht es stets auch um demokratische Zukunftsentwürfe, um historisch entstandene Ungleichheiten, um Ausschlüsse und Zugehörig. Der aktive Umgang mit Erinnerung wird Erinnerungspolitik genannt. Immer öfter taucht in diesem Zusammenhang der Begriff der multidirektionalen Erinnerung auf: Anstatt einer Logik der Übereinstimmung versus Konflikt anerkennt diese Differenzen an und fragt nach den Beziehungen zwischen diesen unterschiedlichen Erinnerungspraktiken.
E wie Erinnerungskultur(en) beschreibt das bewusste Erinnern an historische Ereignisse, Persönlichkeiten und Prozesse. Das können Individuen, aber auch soziale Gruppen, Institutionen oder Nationen tun. Erinnerungskulturen sind vielfältig und umkämpft und lassen sich auch auf unterschiedliche historische Erfahrungen und Machtverhältnisse innerhalb der Gesellschaft zurückführen. «Multidirektionale Erinnerungspolitik» anerkennt diese Differenzen und fragt nach den Beziehungen zwischen unterschiedlichen Erinnerungskulturen.